Springe zu:

Boden des Jahres 2019 - Kippenboden (Kipp - Regosol)

Kippenböden sind junge Böden, die sich nach dem Bergbau in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt haben. Sie entstehen aus vom Menschen abgelagerten, natürlichen Substraten. Besonders häufig sind sie in den großen Braunkohletagebau-Revieren verbreitet. In der deutschen Bodenklassifikation zählen diese Böden zu den Klassen der Terrestrischen Rohböden und der Ah/C-Böden. Die besonders häufig verbreiteten Kipp-Regosole sind aus carbonatfreiem bis carbonatarmem Lockermaterial hervorgegangen. International (WRB) sind sie den Regosols zugeordnet, und wenn stark sandig, den Arenosols.

Kippregosole folgen dem Bergbau

Kipp-Regosole entstehen dort, wo der Mensch bei der Gewinnung von Rohstoffen, vor allem der Braunkohle, die ursprüngliche Landschaft stark verändert, überformt und zerstört hat. Der über dem Rohstoff liegende Abraum wird mit Tagebaugroßgeräten komplett abgetragen. Der ursprüngliche Boden geht dabei verloren. Die gewonnenen Substrate werden in die nach dem Rohstoffabbau verbleibenden Gruben abgelagert. Nach der bergmännischen Wiederurbarmachung (Nivellierung bzw. Planierung) und einer Wiederbesiedlung mit Pflanzen setzt an der Oberfläche der so entstandenen Kippen eine erste Bodenbildung ein. Damit entstehen neue Böden – die Kippenböden.

Kipp-Substrate: Sand, Kohle, Schwefel

Kipp-Regosole aus Sand sind häufig nährstoffarm, besitzen geringe Wasserspeicherpotentiale, sind aber gut durchwurzelbar und gut wasserleitend. Bedingt durch die Verkippungstechnologie werden häufig Sedimente, die ursprünglich in der Tiefe lagen, als Abschlussschicht von Kippen abgelagert, insbesondere im Lausitzer Braunkohlenrevier. Diese weisen dann höhere Gehalte an kohligen Bestandteilen auf. Zwar verbessern feinverteilte Kohlerückstände die Nährstoff- und Wasserspeichereigenschaften, sie führen aber oftmals auch höhere Anteile an schwefelhaltigen Mineralen (Pyrit und Markasit). Durch deren Oxidation entwickeln sich innerhalb kurzer Zeit sulfatsaure Bedingungen im Kippenboden, mit pH-Werten weit unter 3, hohen Konzentrationen an Sulfatsalzen, einer starken Mineralverwitterung aber auch –neubildung, z.B. von Jarosit oder Schwertmannit. Solche Kippen-Böden sind pflanzentoxisch und bleiben über Jahrzehnte ohne Bewuchs. Um sie wiedernutzbar zu machen, bedarf es einer intensiven Melioration. Dazu werden hohe Kalkgaben bis einen Meter tief in das Kippsubstrat eingemischt

Kippsubstrate: Geschiebelehm - Sandlehm - Löss

Kipp-Lehmsande, verkippter Geschiebelehm- und Löss(-lehm) stellen als bodenbildendes Ausgangssubstrat eine mittlere bis gute Nährstoffverfügbarkeit und ausreichend hohes Wasserspeicherpotential zur Verfügung. Diese bindigen Materialien sind überwiegend im Mitteldeutschen und Rheinischen Braunkohlenrevier anzutreffen, in der Lausitz hingegen kaum verbreitet. Eine spezielle landwirtschaftliche Rekultivierungsfruchtfolge mit hohen Anteilen an tiefwurzelnden, stickstoffsammelnden und gefügeverbessernden Einsaaten fördert in den ersten Jahren eine intensi¬ve und tiefgründige Akkumulation organischer Substanz. So beträgt der Humusgehalt in dem 30 cm mächtigen Ap-Horizont nach 25 Jahren bereits ca. 3 Masse-%. Unsachgemäße Verkippung, Planierung oder Bearbeitung lehmiger Substrate kann jedoch eine Dichtlagerung unterhalb der Pflugsohle bewirken. Sie hemmt das Wurzelwachstum und kann zu unerwünschter Staunässe führen. Bei der Rekultivierung sollten derartige Schadverdichtungen vermieden oder beseitigt werden, etwa durch sogenannte Tiefenlockerung mit Schwergrubber oder pflanzenbauliche Maßnahmen

Folgenutzung Landwirtschaft

Die chemischen und physikalischen Eigenschaften der verkippten Substrate entscheiden über die Nutzungsmöglichkeiten der daraus entstandenen Kipp-Regosole. Rekultivierungsflächen mit bindigen (lehmigen) und nährstoffreichen Kipp-Substraten eignen sich ganz besonders für Ackerbau. Nach speziellen Rekultivierungsfruchtfolgen ist eine dauerhafte Folgenutzung möglich. Im Mitteldeutschen und auch im Rheinischen Braunkohlenrevier sind bindige, nährstoffreiche Kipp-Substrate weit verbreitet: Dort dominieren landwirtschaftliche Nutzungsformen in der Bergbaufolgelandschaft.

Folgenuzung Forstwirtschaft

Sandige, wasser- und nährstoffärmere Kipp-Regosole werden zumeist forstwirtschaftlich genutzt. Auch eine forstliche Rekultivierung erfordert zielgerichtete Melioration mit Kalk und pflegende Maßnahmen: Die bodenverbessernden Substanzen werden tiefgründig eingearbeitet, eine Grunddüngung verabreicht. In der Lausitz nehmen solche armen Substrate mehr als zwei Drittel ein, entsprechend dominiert die forstliche Rekultivierung. Dabei überwiegt die anspruchslose Gemeine Kiefer, dazu kommen verschiedene Laubbaumarten, insbesondere Trauben-/Stieleiche, Gemeine Birke, Winterlinde oder Roteiche.

Lanschaftsgestaltung und Naturschutz

Kippenflächen mit kleinflächigen Substratwechseln und -kontrasten werden häufig extensiv genutzt. Dazu werden die Kippsubstrate nicht oder nur sehr geringfügig melioriert. Solche Areale bleiben häufig sich selbst überlassen, zumindest über größere Zeitspannen hinweg. Gerade wenig entwickelte, nährstoffarme und trockene Rohböden können für den Arten- und Biotopschutz besonders wertvoll sein. Sie bieten vielen Pflanzen und Tieren ein Mosaik unterschiedlichster ökologischer Nischen, die in unserer stark genutzten "Kulturlandschaft" kaum mehr zu finden sind.